Donnerstag, 16. Juli 2020

Goodbye Sylvia

Vor einem Jahr verlor eine gute Freundin ihren Kampf gegen den Krebs.

Sylvia Crumbach, aufgenommen 2018



Ich kannte Sylvia Crumbach 'ewig' (es muss wohl 1997 gewesen sein, dass wir uns zum ersten Mal getroffen hatten) und wir waren über lange Jahre eng befreundet.

Zusammengeführt hat uns das Brettchenweben. Damals, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte und man kaum was über die historischen Funde wusste. Jedes Buch, das etwas über das Brettchenweben berichtete, wurde wie ein Schatz gehütet, auch wenn es nur ein Handarbeitsbuch aus dem 70ern war, das nur wenig über das Brettchenweben zu erzählen wusste.

Ich erinnere mich noch sehr gut an eins unserer ersten Treffen. Sylvia besuchte mich damals in meiner kleinen Wohnung und wir banden uns an meiner uralten Nähmaschine (Eisengestell) fest und saßen auf dem Boden und webten. Dabei tranken wir Kaffee und Tee und redeten über Gott und die Welt. Wir stellten an dem Tag fest, dass wir ähnliche Interessen und Ansichten hatten und dass es 'passte'.
Wir haben keine anspruchsvollen Muster gewebt, wie man sie heute von uns kennt, sondern wir machten unsere ersten vorsichtigen Gehversuche in diese Richtung.

Aber wir wollten beide mehr. Mehr wissen, mehr lernen, mehr ausprobieren. Wir besuchten zusammen Ausstellungen und belegten mit anderen Freunden Kurse bei Marijke van Epen, die uns die Grundlagen von dem beibrachte, was wir heute wissen.

Natürlich hatten wir auch eine 'Konkurrenz' untereinander: 'first to weave' wer entdeckt zuerst ein historisches Muster, entwickelt es und webt es dann ;-). Das Verhältnis war in den ersten Jahren sehr ausgewogen (ok, Sylvia war mir eine Nasenspitze voraus) und wir haben uns damit gegenseitig beflügelt. Wenn einer etwas herausgefunden hatte, dann wurde das Wissen geteilt.
Oft diskutierten wir stundenlang, Sylvia mit einem Wein neben dem Webstuhl, ich hatte einen Cocktail oder was ähnlich Süßes. Und am Ende hatten wir nicht nur eine gute Strecke gewebt, sondern einen schönen Tag gehabt.

Während mein Schwerpunkt das 'Machen' war, war es Sylvia schon früh wichtig, das was sie herausgefunden hatte, auch zu veröffentlichen. Bereits 2003 publizierte sie in der Pax et Gaudium erste Aufsätze zum Thema Brettchenweben. Auch hatte sie überhaupt keine Probleme, sich von ihren Borten zu trennen und verkaufte viele ihrer Arbeiten.
Ich hatte eine Homepage, das war mir mehr als genug Arbeit. Und verkaufen - nein, das kann ich immer noch nicht, auch wenn die Schränke nach über 20 Jahren ziemlich voll sind.

Unser weiteres gemeinsames Hobby 'historische Darstellung' konnten wir 2005 in einem Verein zusammenführen. Sylvia war hier federführend als Vorsitzende, ich erst als Schriftführeren, später als Kassenwart.

2014 flogen wir zusammen ins Ausland - 3 Tage London zur Konferenz 'Crafting Textiles from the Bronze Age to AD 1600: A tribute to Peter Collingwood'.
Eins der schönsten Wochenenden, das wir zusammen verbracht hatten. Zwischendurch schafften wir es noch diverse Sehenswürdigkeiten zu erkunden und wissen jetzt, dass es eine dumme Idee ist, mit einem Sight-Seeing-Bus durch London zu fahren, wenn gleichzeitig Marathon ist und die Hälfte der Ziele nicht angefahren werden können.

Die Jahre vergingen und wir entwickelten uns weiter. Sylvia stellte sich dem Mamutprojekt und studierte neben ihrer regulären Arbeit als Glaserin noch Kulturwissenschaften.
Die Arbeit im Verein gab sie auf, weil sich ihre Interesse gewandelt hatte. Sie hatte natürlich auch nicht mehr so viel Zeit für das Brettchenweben, so dass ich nun mehr 'first to weaves' am Bettpfosten hatte. Aber es war weiter ein Teil ihres Lebens und auch wenn sie es unter anderen Gesichtspunkte beleuchtete. Unserer Freundschaft tat es keinen Abbruch, dass wir nicht mehr so viel zusammen unternahmen. Wir hatten viel zu erzählen, wenn wir uns trafen.

Ich habe immer bewundert, wie viel Energie Sylvia hatte. Nichts wurde ihr zu viel und immer hatte sie noch ein Lächeln übrig. Und wenn man nicht zurecht kam, dann half sie gerne. Nur wenn sie das Gefühl hatte, dass man ihre Hilfsbereitschaft ausnutzte, dann wurde sie zum Dachs.

Doch dann kam der Krebs. Zuerst hatte sie auch da noch gelächelt. Und nach einem Jahr gedacht, über ihn zu triumphieren. Dann kam er zurück und Sylvia veränderte sich, sie wurde verbissener, kämpfte mit allen Mitteln; alle ihre überschäumende Energie fokusierte sie auf diesen Kampf; doch der Krebs siegte.

Ohne Sylvia wäre ich in meinem Hobby nicht da, wo ich heute bin. Wir haben uns gegenseitig herausgefordert, aber auch gefördert und Mut gemacht, wenn es mal nicht so lief. Wir haben zusammen Muster ausgetüftelt und Fehler analysiert. Und wenn gar nichts ging auch mal was Leckeres getrunken. Ohne Sylvia als Vorbild hätte ich viele Dinge gar nicht erst ausprobiert, weil der Weg zum Ziel so steil erschien. Aber wenn Sylvia es schon geschafft hatte, dann wollte ich es auch schaffen und manchmal habe ich es gemacht, damit sie nachkommen konnte ;-)

Was bleibt sind viele Erinnerungen an Dinge, die wir gemeinsam gemacht hatten.
Einige Veröffentlichungen. Bilder von schönen Borten; ich habe hier eine Auswahl zusammen gestellt (ein Teil ihrer Arbeiten durfte ich fotografieren, einige der Bilder hat sie selbst gemacht, ich weiß aber nicht mehr genau, wer welche Bilder gemacht hat, das gibt mein Fotoalbum nicht her... ) und das Wissen, dass sie viel zu früh gegangen ist.

Und mir passiert es auch heute noch, dass ich, wenn ich etwas besonders spannendes herausfinde, zum Telefon greifen will, und es mit Sylvia teilen möchte. Du wirst vermisst.






















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