Aber was bedeutet jetzt ‚authentisch‘? Laut Duden hat das Wort folgende Bedeutung:
echt; den Tatsachen entsprechend und daher glaubwürdig
Wann entspricht eine historische Darstellung den Tatsachen, wann ist sie echt?
Ich maße mir nicht an, mich in eine Person aus einer längst vergangen Zeit hineinversetzen zu können und zu sagen, was sie gefühlt und wie sie in bestimmten Situation reagiert haben könnte, so dass ich diese Seite weder überzeugend noch in irgend einer Form authentisch darstellen könnte. Auch glaube ich nicht, dass die meisten ein ausreichendes religiöses und soziales Hintergrundwissen haben, um sich der Geschichte von dieser Seite zu nähern.
Bisher habe ich nur ein einziges Mal eine Darstellung gesehen, die wirklich überzeugend war, aber das waren Szenen, wie sie zum Ende des 2. Weltkrieges hätten passieren können und hier hat man noch Augenzeugen befragen können, um die Rollen überzeugend darstellen zu können.
Viel zu oft habe ich bei solchen Rollenspielen das Gefühl, in ein D-Movie geraten zu sein, wo die Schauspieler zwar ihre Texte gelernt haben, aber das 'Schauspiel' hölzern und falsch ist.
Lagerfeuerromantik mit verteilten Rollen zu spielen ist schön und macht Spaß, aber es hat nichts mit ‚authentisch‘ zu tun.
Bei einzelnen, gut dokumentierten geschichtlichen Großereignissen, die von Historikern ausführlich beschrieben wurden, kann man einzelne Szenen nachstellen. Aber das wirkt nur dann überzeugend, wenn das Gesamtbild stimmt.
Und das ist es auch für mich, was ‚authentisch‘ ausmacht: Das Gesamtbild muss stimmen!
Und da gibt es viele Punkte, die man als einzelner, aber auch in der Gruppe beachten muss:
Den zeitlichen und regionalen Rahmen so eng wie möglich halten. Je weiter in der Vergangenheit die Darstellung liegt, umso größer ist der zeitliche Rahmen. Aber im ‚Mittelalter‘ ist es durchaus möglich, sich auf einige Jahrzehnte festzulegen. Wenn die Ausrüstung aus drei Jahrhunderten und ganz Europa stammt, dann ist das vielleicht schön, aber das Wort authentisch soll man aus seinem Wortschatz streichen.
Wie sah der Mensch damals aus, was für Kleidung hat er getragen? Besonders bei Frauen sind die Frisuren ein wichtiger Punkt, aber auch die passenden Schuhe darf man nicht vernachlässigen. Umgearbeitete Westernstiefel vom Discounter sind einfach ein ‚no go‘ wenn man ‚authentisch‘ anstrebt.
Entsprechen die Stoffe den damaligen Farben und der damaligen Qualität? Dabei kommt es meines Erachtens nicht zwingend darauf an, dass alles natürlich gefärbt und mit der Hand genäht ist. Viele Anbieter bieten inzwischen industriell gefärbte Stoffe an, die man nur schwer von den natürlich gefärbten Stoffen unterscheiden kann. Wenn jemand wirklich kein Talent hat, von Hand zu nähen und zur Nähmaschine greift, um die nicht sichtbaren Nähte schneller zu nähen, dann ist das nicht so schlimm. Das macht das Bild nicht kaputt.
Modernes Material und falsche Schnittmusterr, schlecht sitzende Kleidung und nicht stimmige Accessoires sind da viel auffälligere Fehler. Tut mir leid, aber Polyester und Baumwolle haben nichts mit ‚authentisch‘ zu tun.
Ein Beispiel für nicht stimmige Accessoires: eine eigentlich wirklich schöne Wikinger-Tunika wird mit einer Widderhorn-Borte verziert. Dumm nur, dass diese Borte nicht der Bildsprache der damaligen Zeit entspricht, sondern ins 17./18. Jahrhundert gehört.
Wie ist das mit modernen ‚Behelfsmitteln‘ wie Brillen?
Ich bin ohne meine Brille blind wie ein Maulwurf und leider kann ich durch eine Hornhautverletzung und der Narbe, die ich davon habe, keine Kontaktlinsen mehr tragen. Solange ich vor meinem Schautisch mit Publikum interagiere und Handarbeitsvorführungen mache, trage ich sie. Ich strebe in dem Moment auch kein authentisches Bild an, sondern will das Wissen, das ich mir angelesen habe, vermitteln. Da unterstützt die Kleidung nur, ist aber nicht das Wichtigste. Der Schautisch, die Probestücke und eine Brille haben in diesem Fall eine höhere Priorität… auch gibt es genug Situationen, wo ich um Verletzungen zu vermeiden die Brille tragen muss.
In anderen Situationen, wo ich möchte, dass das Bild stimmt, wird die Brille abgezogen und ich bin dann halt unbeholfen…
Wer sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, der weiß, dass es immer noch viel zu viele Wissenslücken gibt, um wirklich ‚authentisch‘ zu sein. Aber mit jeder kleinen Änderung an der Kleidung, mit jedem Detail, das man über die Zeit erfährt, kommt man dem Ziel, so korrekt wie möglich zu sein, oder besser: eine glaubwürdige Darstellung zu haben, bei der andere sagen ‚Das Bild überzeugt mich, so könnte es damals gewesen sein‘, ein Stückchen näher.
Ich behaupte auch nicht, dass das was ich mache, authentisch ist. Aber ich bemühe mich, dem so nahe wie möglich zu kommen.
Und das erreiche ich, indem ich viel lese, dies mit anderen durchdiskutiere, Ausstellungen besuche, um mir die Dinge aus den Büchern im Original anzusehen und ganz viel werkele. Hin und wieder zeige ich das auch auf Veranstaltungen. Aber das ist für mich nicht das Wichtigste. Die Recherche und die Rekonstruktion machen mir persönlich viel mehr Spaß, das macht mein Hobby aus.
Mit Lagern, Rollenspielen und ähnliches hat man eine tolle Zeit, erlebt ein Gemeinschaftsgefühl, wie man es heute vielleicht noch bei den Pfadfindern hat, aber mit ‚authentischer Darstellung‘ hat es nichts zu tun… Also spart euch doch den Stress den ihr bekommt, wenn ihr es falsch bezeichnet und sagt, dass es Fantasy, Rollenspiel, 'historisch angelehntes Larp' oder wie auch immer ihr es bezeichnen möchtet ist. Dann können wir viel entspannter miteinander umgehen.
Hier noch einige Bilder, wo ich das Gefühl hatte 'JA, das stimmt! So kann es damals gewesen sein.'
Schön auf den Punkt gebracht ! Danke dafür.
AntwortenLöschenGern geschehen - ich musste das mal loswerden und kann jetzt darauf verweisen, statt es immer wieder neu zu tippen
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