Der ursprüngliche Besitzer aller dieser Schätze war höchstwahrscheinlich der jüdische Geldverleiher und Bankier Kalman von Wiehe, der seine Wertsachen während des Pestpogroms im Jahr 1349 aus Angst vor Raub und Plünderung versteckte. Er überlebte die gewalttätige Verfolgung, die am 21. März in Erfurt durchgeführt wurde, nicht.
Der Schatz ist insgesamt 28 kg schwer und neben vielen Metallgegenständen wurden auch einige textile Fragmente geborgen.
Grit Zimmermann hat diese analysiert und mit dem Bericht 'Die textilen Reste an den Goldschmiedearbeiten des Erfurter Schatzfundes' 2010 in dem Buch 'die mittelalterliche jüdische Kultur in Erfurt Band 2 Der Schatzfund' veröffentlicht.
Wenn sich nicht die meisten der textilen Resten an den Gürtelendbeschlägen und Gürtelapplikation befunden hätten, wäre es ein netter, aber nicht herausragender Artikel. doch es handelt sich hier um brettchengewebte Gürtel aus Seide, die als 'Trägermaterial' für die aufwändigen und kostbaren Gürtel dienten.
Im Gegensatz zu früheren Zeiten, wo die Gürtel prachtvoll broschiert oder anderweitig aufwändig gewebt waren, waren die Brettchenborten des Erfurter Schatzes bis auf eine Ausnahme ungemustert und einfarbig. Allerdings waren an den meisten noch Farbspuren zu erkennen (blau und rot).
Frau Zimmermanns Untersuchung kommt zu den Schluss, dass die Borten in Sechslochtechnik gewebt wurde, allerdings wurden nur drei der Löcher mit Fäden bezogen.
Inspiration für die Verwendung der Sechslochbrettchen waren verschiedene zeitgenössische Miniaturen, in denen Weberinen mit genau solchen Brettchen arbeiteten (z.B. Codex Manesse).
Ich hatte schon vor einiger Zeit Technikstudien gewebt, weil ich ein bestimmtes spätmittelalterliches Band nachweben wollte, die aber nicht das Ergebnis gebracht hatten, was ich benötigte.
Aber an Sechslochbrettchen hatte ich nicht gedacht.
Um das Ganze auszuprobieren habe ich nach einer Vorlage aus Frau Zimmermanns Bericht gearbeitet:
Kat. Nr. 33: Geweberest von den Gürtelapplikationen, stabförmig mit Kreuzzblumen
Inv.-Nr.: 5086/98-5230/98
Bindung: Brettchengewebe
Maße: Webbreite: ca. 8,5-9,0 mm
Material: Seide
Kette: S-Draht-Zwirn aus zwei Garnen; Dm 0,2 - 0,3 mm
Schuss: S-Draht-Zwirn aus zwei Garnen; Dm 0,2 - 0,3 mm
vermutlich mit 32 6-Loch-Brettchen gewebt (3fädig bezogen, 1 Randbrettchen je Seite 6-fädig)
abwechselnd S-und Z- aufgekettet.
Schussdichte: 40 Fäden auf 10,0 mm, teilweise blaue Färbung erkennbar
Bei meinem ersten Versuch habe ich mich für blaue Seide NM22 entschieden:
32 Brettchen, nach dem Erfurter Schatzfund |
32 Brettchen, nach dem Erfurter Schatzfund |
Die Borte ist mit knapp 11 mm ein wenig zu breit geworden und ich hatte keinen Seidenschussfaden verwendet, sondern mit Leinen gearbeitet, da ich Sorge hatte, dass die Borte nicht stabil genug wäre. Die Sorge war unbegründet.
Die Gürtelapplikationen stammen von Dragal et Menosgada. Sie sind keine Repliken aus dem Schatzfund, entsprechen aber dem Stil der Zeit (Applikationen nach einem Fund aus London).
Probleme hatte ich aber noch mit dem Richtungswechel, weil dann das Muster plötzlich anders aussah, als es sollte. Erst zum Ende des Bandes hatte ich dafür eine Lösung.
Mit diesem Ergebnis bin ich wesentlich zufriedener:
Seide 40/2 mit Cochinille gefärbt (Archäotechnik textile Fläche).
Hier habe ich auch Seide als Schussfaden verwendet. Die Struktur ist besser zu erkennen, als beim 1. Versuch, auch hatte ich den Richtungswechsel im Griff.
32 Brettchen nach dem Erfurter Schatzfund |
32 Brettchen nach dem Erfurter Schatzfund |
Literatur:
Grit Zimmermann: 'Die textilen Reste an den Goldschmiedearbeiten des Erfurter Schatzfundes' veröffentlicht in 'Die mittelalterliche jüdische Kultur in Erfurt Band 2 Der Schatzfund', 2010
Astrid Pasch, Maria Stürzenbcher, Grit Zimmermann, Oliver Mecking: 'Die Rekonstruktion der Gürtel aus dem Erfurter Schatz' veröffentlicht in 'VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut' Heft 1 / 2012 Online hier zu finden
Wow, ganz toll! Ich bewundere Deine Geduld mit diesem feinen Garn! Und die Farben sind der Hammer.
AntwortenLöschenBei den Randbrettchen sind aber alle Löcher bezogen, oder? Jedenfalls sieht es bei dem pinkfarbenen Band so aus. Hast Du da für jedes Fach einen eigenen Schußfaden genommen, oder warum sieht man auf dem einen Foto zwei Schiffchen? Wenn ja, werden die beide in dieselbe Richtung eingelegt oder entgegengesetzt?
Dankeschön.
LöschenDie Farben sind wirklich der absolute Hammer. Dabei ist der Lila-Ton eine Cochenille-Färbung.
Jedes Fach hatte seinen eigenen Schußfaden und die Brettchen wurden immer in eine Richtung gedreht.
Und obwohl es nicht so wirkt, gibt es hier eine Vorder- und eine Rückseite.